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Freundschaft im Riff: Symbiose zwischen Clownfisch und Anemone

Tropische Korallenriffe sind ohne ihre farbenfrohen Bewohner kaum vorstellbar. Der wohl Bekannteste unter ihnen ist der Clownfisch. Bei näherer Betrachtung fällt nicht nur sein prägnantes Schuppenkleid ins Auge, sondern auch seine einzigartige Beziehung zu Seeanemonen, die im Meer ihresgleichen sucht.

Ausgewachsener Clownfisch schaut neugierig aus seiner Anemone
Ausgewachsener Clownfisch in seiner Anemone © kichigin19 via Adobe Stock

Korallenriffe sind mit ihren schillernden Farben und kunstvollen Formen nicht nur wunderschön anzusehen, sie bilden auch den Lebensraum unzähliger Organismen im Meer. Einer der weltweit bekanntesten Bewohner im Riff ist der Anemonenfisch.

Anemonenfische, auch Clownfische genannt, sind die kleinsten Vertreter aus der Familie der Riffbarsche (Pomacentridae). Sie sind vorwiegend in den tropischen Korallenriffen des Indopazifiks anzutreffen, zumindest wenn man einen genauen Blick wagt. Denn mit ihrer geringen Körpergröße von gerade einmal sieben bis zwölf Zentimetern sind sie echte Winzlinge. Ihre geringe Größe gleichen sie aber mit einer auffälligen Farbenpracht und ihrem großen Mut wieder aus.

Die Anemonenfische der Gattung Amphiprion halten sich meist innerhalb oder in der Nähe ihrer schützenden Behausung auf. Besagten Schutz erhalten sie durch verschiedene Seeanemonen, von denen sie nach Bezug ein Leben lang geschützt werden. Als Dank revanchieren sich die kleinen Fische bei den Anemonen auf vielfältige Weise. Damit gehen sie eine beidseitig vorteilhafte Wechselbeziehung ein.

Doch Seeanemonen sind weitaus mehr als ein glorifiziertes Zuhause für ihre farbenfrohen Bewohner. Da bleibt die Frage: Wobei handelt es sich bei Seeanemonen eigentlich?

Tier oder Pflanze? Was sind Seeanemonen?

Die systematische Einteilung der Seeanemonen (Aktinien) galt in der Forschung lange Zeit als schwierig. Aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale wurden sie vermehrt dem Pflanzenreich zugeordnet und tragen noch heute den Beinamen Blumentiere.

Ihr blumiges Aussehen könnte heute noch immer leicht darauf schließen lassen, dass es sich bei Seeanemonen um Meerespflanzen handelt. Das ist jedoch nicht der Fall. Seeanemonen zählen zum Stamm der Nesseltiere (Cnidaria) und gehören damit dem Tierreich an. Zu den etwa 10.000 Arten der Nesseltiere zählen neben den Seeanemonen auch sechs- und achtstrahlige Korallen sowie viele Quallenarten.

Der Name Nesseltiere rührt von den mit Nesselkapseln versehenen Zellen (Nematocysten) der Tiere, die bei direktem Kontakt Gift übertragen und starke Schmerzen verursachen können.

Seeanemonen nutzen die Nesselzellen ihrer Tentakel neben der Abwehr vorrangig zur Beutejagd. Als Fleischfresser ernähren sie sich neben Plankton von kleinen Fischen, Quallen und Krebstieren. Da sich die meisten Arten während ihrer Lebenszeit nicht von ihrem stationären Platz bewegen, nutzen sie die Meeresströmung zur Jagd und warten darauf, dass die Beute zu ihnen kommt. Angespültes wird anschließend gefangen und bei Kontakt mit dem Nesselgift betäubt und im Inneren der Tiere verschlungen und verdaut.

Die meisten Seeanemonen besitzen nur ein schwaches Gift zum Fang kleinerer Beute und werden dem Menschen damit kaum gefährlich. Das gilt allerdings nicht für alle Nesseltiere. Die Seewespe (Chironex fleckeri) ist nicht nur der giftigste Vertreter aus der Familie der Nesseltiere, sondern auch eines der giftigsten Lebewesen unseres Planeten. Trotz ihrer geringen Größe von nur wenigen Zentimetern besitzen diese Würfelquallen ein so potentes Nervengift, dass sie mit einer einzigen Dosis mehrere erwachsene Menschen töten können.

Mit einem so effizienten Abwehrmechanismus kann die Seeanemone nicht aufwarten, weshalb sie zur Verteidigung zusätzlich auf tatkräftige Unterstützung setzt.

Ein Leben in sicherer Gemeinschaft

Zwei Anemonenfische halten Ausschau aus ihrer bewohnten Seeanemone
Von Clownfischen bewohnte Seeanemone © SHIN via Adobe Stock

Seeanemonen sind nicht nur schön anzusehen, sie sind auch eine schmackhafte Delikatesse. Zumindest wenn man einigen Riffbewohnern wie Falterfischen und Feilenfischen glauben kann, die regelmäßig versuchen, sich an ihren Tentakeln gütlich zu tun. Für zusätzlichen Schutz gehen Seeanemonen deshalb eine Lebensgemeinschaft mit Anemonenfischen ein, von der sie beide profitieren.

Ein solches Bündnis wird als Symbiose oder auch interspezifische Kooperation bezeichnet und beschreibt eine enge Wechselbeziehung zweier Arten zum beidseitigen Vorteil. Ein weiteres Beispiel für die Symbiose findet sich bei Landpflanzen, die für ihre Fortpflanzung auf Hilfe bei der Bestäubung angewiesen sind und als Gegenleistung für ihre Bestäuber Nektar als Nahrung produzieren. Die besondere Beziehung zwischen Seeanemone und Clownfisch stellt im Meer ein Musterbeispiel für die Symbiose dar.

Insgesamt gibt es zehn Arten von Seeanemonen, die in enger Partnerschaft mit Clownfischen leben und ihnen den überlebenswichtigen Schutz vor Fressfeinden bieten. Raubfische wie Zackenbarsche und Muränen halten lieber Abstand zu den giftigen Tentakeln der Anemonen, auch wenn sich dahinter ein schmackhafter Snack befinden könnte.

Als Dank revanchieren sich Anemonenfische auf überraschende Weise: Sie verteidigen ihr Wirtstier vor schädlichen Eindringlingen. Obwohl sie mit ihrer geringen Körpergröße wahrhaft keinen furchteinflößenden Eindruck machen, stellen sie sich potenziellen Feinden mutig und geradezu aggressiv entgegen. Selbst große Räuber wie Schildkröten weichen vor den schnappenden und knurrenden Anemonenfischen zurück und halten lieber Ausschau nach einer anderen Mahlzeit.

Sogar Taucher werden Zeuge der angriffslustigen Verteidiger, wenn sie sich beim Tauchgang einer bewohnten Anemone nähern. Die kleinen Fische scheuen nicht davor zurück, in die Hände der Taucher zu zwicken, um sie erfolgreich abzuwehren.

Besonders energisch wird ihr Abwehrverhalten zu Zeiten, in denen sie ihre Nachkommen zu schützen versuchen.

Bei der Verteidigung ihrer Anemone scheint ihnen kein Risiko zu hoch. Und das ist kein Zufall, denn wenn der Angreifer nicht erfolgreich abgewehrt wird, hat das für die Fische fatale Folgen. Als letzte Möglichkeit zum Selbstschutz zieht die Anemone ihre Tentakel ein und sperrt die Fische damit regelrecht aus, wodurch sie plötzlich schutzlos auf sich allein gestellt sind. Damit bieten sie eine leichte Mahlzeit für umher schwimmende Fressfeinde.

Ein Paradies für Seeanemonen

Von Clownfischen besiedelte Anemonen profitieren nicht nur vom Schutz potenzieller Fressfeinde. Sie werden auch regelmäßig gereinigt und dabei von Parasiten freigehalten. Des Weiteren dient der Stickstoff in den Ausscheidungen der Fische als Dünger für Mikroalgen, die im Inneren der Anemone leben und ihr zugutekommen.

Kein Wunder also, dass in Symbiose lebende Anemonen ein etwa dreimal so schnelles Wachstum und eine deutlich geringere Sterblichkeitsrate aufweisen, als ihre partnerlosen Artgenossen.

Beobachtungen zeigen, dass Seeanemonen zwar stark von ihren befreundeten Clownfischen profitieren, aber auch ohne sie überleben können. Umgekehrt sieht es ganz anders aus. Die schutzlosen Clownfische sind ohne ihre Wirtsanemone nicht überlebensfähig und sind weltweit nicht ohne ihre schützende Behausung anzutreffen. Nur in geschützten Aquarien ohne natürliche Feinde schaffen sie es, sich an ein Leben ohne Anemone zu gewöhnen und zu überleben.

Raffinierter Schutz vor Nesselkapseln

Wie kommt es, dass Seeanemonen ihre Anemonenfische nicht betäuben und verspeisen, wie sie es mit anderen Fischen tun? Diesem Geheimnis sind Forscher bereits seit vielen Jahrzehnten auf der Spur.

Wissenschaftler stellten über die Jahre einige Hypothesen auf, welche die Immunität der Clownfische gegenüber dem Nesselgift der Anemonen erklären könnten: von körpereigenen Hemmstoffen und rhythmischen Schwimmbewegungen, die eine Auslösung der Nesselkapseln verhindern, bis hin zu einer Immunität gegen die Nesselzellen durch wiederholtes Gestochen werden oder chemische Anpassung.

Bis heute gibt es keine eindeutige Antwort. Allerdings scheint sich die Theorie eines schützenden Films in entsprechenden Feldversuchen und Untersuchungen im Labor immer mehr zu bestätigen. Dafür machen sich die Clownfische einen ausgeklügelten Trick der Anemone zu eigen. Diese produziert einen schützenden Film an ihren Tentakeln, um sich vor ihren eigenen Nesseln zu schützen, wenn sich die Tentakel in der Strömung gegenseitig berühren.

Die Fische übernehmen diesen Schutzfilm durch wiederholtes Anschwimmen und Berühren der Anemone, indem sie erst mit den Flossen und schrittweise mit dem ganzen Körper Kontakt zur Anemone aufnehmen. Dadurch benetzen sie ihren Körper mit dem schleimartigen Film und können fortan gefahrlos die Anemone betreten.

Für diese Theorie spricht außerdem, dass die Anemonenfische ihren Nesselschutz verlieren, wenn sie einige Zeit von ihrer Anemone getrennt sind. Um wieder gefahrlos Kontakt aufnehmen zu können, müssen sie die Immunität erneut aufbauen. Kranke oder geschwächte Fische hingegen werden von der Anemone direkt verschlungen. Forscher vermuten, dass sie den Prozess der Immunisierung nicht überstehen und die Anemone sie deshalb als Beute erkennt.

Das bunte Leben der Anemonenfische

Gruppe Anemonenfische an ihrer Wirtsanemone © kuritafsheen via Adobe Stock

Clownfische bewohnen ihre Anemone entweder als Pärchen oder in kleinen Gruppen mit nur einem Weibchen und mehreren Männchen. Das Besondere daran: Clownfische sind protandrisch, das bedeutet, sie werden männlich geboren, besitzen aber die Anlagen beider Geschlechter und können sich unter bestimmten Bedingungen zu Weibchen entwickeln.

Sobald ein männlicher Jungfisch eine unbewohnte Anemone antrifft, entwickelt er sich mithilfe eines hormonellen Vorgangs innerhalb weniger Tage bis Wochen zu einem Weibchen. Dasselbe passiert, wenn das Weibchen einer aktiven Gruppe stirbt. Kurz darauf beginnt das dominante Männchen der Gruppe seine Geschlechtsänderung und das nächst größere Männchen steigt in der Rangfolge auf und wird zum aktiven Geschlechtspartner des Weibchens.

Wenn männliche Jungfische auf eine bereits bewohnte Anemone treffen, ordnen sie sich innerhalb der Hierarchie unter und sichern sich damit eine geschützte Behausung und die Möglichkeit auf spätere Fortpflanzung.

Da Anemonenfische weder schnelle noch besonders gute Schwimmer sind, wählen sie ein stationäres Leben in der Nähe ihrer schützenden Anemone und bleiben dieser ihr Leben lang treu. Von der Partnersuche, Fortpflanzung und dem Umsorgen des Nachwuchses, bis hin zur Nahrungssuche spielt sich alles in einem Umkreis von nur wenigen Metern zu ihrer Behausung ab. Bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr kehren sie in die sicheren Arme ihrer Wirtsanemone zurück.

Den Fuß der Anemone nutzen die Weibchen regelmäßig zum Ablaichen, woraufhin die etwa 250 bis 500 Eier vom größten Männchen befruchtet und anschließend umsorgt werden. Während der Brutzeit verteidigen sie den Nistplatz mit vollem Einsatz und setzen zusätzlich auf die abschreckende Wirkung der Tentakel vor gefräßigen Räubern.

Sobald die Nachkommen schlüpfen, werden sie von der Strömung fortgetragen und entwickeln sich für etwa zwölf Tage an der Wasseroberfläche, um anschließend als Jungfische in das Riff zurückzukehren und selbst eine passende Anemone zur Besiedlung zu finden. Damit beginnt der Kreislauf von Neuem.

Weiterführende Literatur

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