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Biolumineszenz: Das Lichtspiel in völliger Dunkelheit

Lange Zeit galten die dunklen Tiefen des Meeres als unbewohnt und tot. Wissenschaftler vermuteten, dass an einem Ort ohne jegliches Sonnenlicht kein Leben möglich sei. Dabei wimmelt es tief unter der Wasseroberfläche nur so von marinen Überlebenskünstlern.

Biolumineszierende Rippenquallen in der Tiefsee
Biolumineszierende Rippenquallen © EvanTravels via AdobeStock

Dass die Tiefsee nicht nur bewohnt ist, sondern ein einzigartiges Ökosystem an Organismen beherbergt, ist eine relativ neue Erkenntnis. Lange Zeit waren Meeresforscher der Ansicht, dass ab etwa 550 Metern Tiefe kein Leben mehr möglich sei. 

Im Jahr 1843 stellte Edward Forbes zu dieser Vermutung die azoische Theorie (azoisch = ohne Leben) auf, welche besagt, dass der gewaltige Druck, die Dunkelheit und die damit einhergehenden niedrigen Temperaturen in der Tiefsee kein Leben ermöglichen würden. Heute weiß man über die Fülle an Leben in den Tiefen unserer Weltmeere. Dabei steckt die Tiefseeforschung noch in ihren Kinderschuhen.

Wenn das Meer zu leuchten beginnt

Die moderne Tiefseeforschung begann 1872 mit der Challenger-Expedition, einer britischen Forschungsreise. Während der vierjährigen Expedition wurden nicht nur 4.717 neue Arten entdeckt und die Tiefe des Marianengrabens vermessen, es wurde auch unwissentlich zum ersten Mal das Phänomen der Biolumineszenz dokumentiert.

Bei dem damals beobachteten nächtlichen Leuchten handelt es sich um das sogenannte Meeresleuchten – verursacht von einzelligen Algen, den Dinoflagellaten. Bei diesen Organismen handelt es sich um mikroskopisch kleine Geißelalgen, die im Oberflächenwasser leben und durch Störungen im Wasser zu einem hellen, bläulichen Leuchten angeregt werden.

Von Dinoflagellaten verursachtes Meeresleuchten an der Küste Australiens
Von Dinoflagellaten verursachtes Meeresleuchten © Trevor McKinnon via Unsplash

1873 beschrieb Sir Charles Wyville Thomson das Leuchten im Kielwasser der Challenger als so hell, dass er selbst bei Nacht noch lesen konnte. In einer Zeit vor kommerziellem, elektrischem Licht nahezu ein Wunder.

Obwohl sie nur wenige Millimeter groß werden können, erhellen biolumineszierende Dinoflagellaten mit dem Namen Noctiluca scintillans in großen Mengen nachts ganze Küstenabschnitte und erregen damit bis heute helles Aufsehen.

Noch ist nicht genau geklärt, was sie zu ihrem Leuchtverhalten verleitet. Meeresforscher vermuten dahinter einen Verteidigungsmechanismus, der durch Bewegungen im Wasser ausgelöst wird. In Erwartung eines potenziellen Fressfeindes soll ihr Leuchten einen noch größeren Räuber anzulocken, der ihrem Fressfeind den Garaus macht, bevor es sie selbst erwischt.

Biolumineszenz ist keine Seltenheit

Biolumineszenz ist in der Natur kein Einzelfall und lässt sich auch an Land finden. Beispielsweise bei Leuchtkäfern, auch bekannt als Glühwürmchen, die ihr Leuchten in der Nacht als gegenseitigen Lockruf zur Partnersuche verwenden. Im Meer, vorwiegend in der Tiefsee, ist das Phänomen aber um ein Vielfaches dominanter. Schätzungen zufolge besitzen 70 bis 90 % aller Tiefseebewohner die Fähigkeit, ihr eigenes Licht zu erzeugen oder zu kontrollieren.

Die Tiefsee ist der größte, zusammenhängende Lebensraum der Erde. Und dabei einer der lebensfeindlichsten. Neben dem immensen Druck, eisigen Temperaturen und den geringen Nahrungsvorkommen stellt die ewige Dunkelheit eine beispiellose Anforderung an seine Bewohner. Wie schaffen es zahlreiche Organismen, an so einem unwirtlichen Ort zu überleben?

Ihr Geheimnis liegt in einem chemischen Prozess, der Biolumineszenz. Alle lebenswichtigen Prozesse, von der Paarung bis zur Nahrungsaufnahme, werden davon beeinflusst und bedeuten für seinen Träger meist eine Frage von Leben und Tod.

Im Laufe der Evolution scheint sich die Biolumineszenz als so effektive Überlebensstrategie bewiesen zu haben, dass sie sich gleich mehrfach und unabhängig voneinander entwickelt hat und heute in allen Weltmeeren und an Land auftritt. Bisher konnten mehr als 30 verschiedene Ursprünge nachgewiesen werden.

Mit leuchtender Angel auf Raubzug

Viele Tiefseefische nutzen ihr Leuchten als Köder. Ein bekannter Vertreter dieser Jagdstrategie ist der Anglerfisch. Um schmackhafte Beutetiere wie Krustentiere und Fische anzulocken, nutzen weibliche Anglerfische einen krummen Auswuchs, die umgangssprachliche Angel, an ihrem Kopf. Am Ende dieser Angel hängt ein leuchtender Köder, den sie springend hin und her bewegen können, um ihrer Beute etwas Fressbares vorzutäuschen. Sobald sich ein hungriger Fisch dem verlockenden Licht nähert, schnappt der Anglerfisch zu.

Manchen Tiefseefischen wie Laternenfischen und Anglerfischen fehlt allerdings die Fähigkeit, ihr Licht selbstständig zu produzieren. Sie sind auf eine symbiontische Beziehung mit Leuchtbakterien in ihrem Körper angewiesen. Als Dank für die konstante Bereitstellung des Lichts versorgen sie die Bakterien ihrerseits mit Nahrung und Sauerstoff.

In der von Nahrungsknappheit gezeichneten Umgebung bedeutet Licht oft eine Gelegenheit zu fressen. Leuchtende Würmer und Bakterien setzen sich gerne an Nahrungsresten und Kadavern fest und signalisieren anderen Lebewesen, dass es dort eine Nahrungsquelle gibt. Diese Annahme machen sich Anglerfische zunutze und täuschen ihren Opfern eine leckere Mahlzeit vor.

Leider ist diese Taktik nicht ganz ungefährlich. Die Leuchtköder locken nicht nur schmackhafte Beutetiere an, sondern auch unerwünschte Fressfeinde, die ihnen selbst gefährlich werden können.

Letzter Ausweg Leuchtkonzert

Das Leben in der Dunkelheit ist mit ständiger Anspannung und Gefahr verbunden. Um das eigene Überleben zu sichern, nutzen einige Lebewesen die Biolumineszenz deshalb als überraschenden Verteidigungsmechanismus.

Tiere wie der Vampirtintenfisch (Vampyroteuthis infernalis) scheiden bei Gefahr eine biolumineszierende Flüssigkeit aus, um ihre Feinde zu verwirren und sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Mit diesem Verhalten ähneln sie ihren Verwandten im Flachwasser, die zur Abschreckung eine Wolke aus Tinte absondern können.

Die für das Meeresleuchten verantwortlichen Dinoflagellaten nutzen eine ähnliche Strategie, um sich potenzielle Räuber vom Leib zu halten. Sie verhalten sich zur Abschreckung wie eine Art visuelle Alarmanlage, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Gegenillumination zur Tarnung

Obwohl es widersprüchlich klingt, wird Licht im Meer auch erfolgreich zur Tarnung eingesetzt. Ein Phänomen, das in Tiefen bis zu 1.000 Metern vorkommt. Aus gutem Grund, denn die sogenannte Dämmerzone ist ein Gebiet, in dem noch ein wenig Restlicht von der Oberfläche eintrifft und somit keine vollkommene Dunkelheit herrscht.

Zwergtintenfisch zeigt seine von Bakterien verursachte Biolumineszenz
Biolumineszierender Zwergtintenfisch © diveivanov via Adobe Stock

Meeresbewohner wie Laternenfische (Myctophidae) und die stets aufmerksam schauenden Zwergtintenfische (Sepiolidae) machen sich das einfallende Restlicht geschickt zunutze. Ihre Körper sind mit Leuchtorganen versehen, deren Intensität sie an das vorhandene und sich ändernde Umgebungslicht anpassen können. Eine einzigartige Camouflage, die sie für Räuber in der Nähe unsichtbar macht.

Kontakt nur bei guter Sicht

Neben trickreichen Jagd- und Verteidigungsstrategien erfüllt die Biolumineszenz noch weitere biologische Funktionen wie die Kommunikation und Partnersuche.

Sich in vollständiger Dunkelheit zu verständigen, ist keine leichte Aufgabe. Daher nutzen viele Tiefseelebewesen Leuchtsignale zur Kommunikation, meist innerhalb der eigenen Art. Manche Tiefseefische schaffen es sogar, sich mit dieser Taktik in ganzen Schwärmen zusammenzufinden. Eine wahre Meisterleistung in einem äußerst weitläufigen Lebensraum.

Zur Ortung potenzieller Partner senden viele Arten spezifische biolumineszierende Signale aus und warten anschließend auf eine Antwort – entweder in Form eines weiteren Leuchtens oder durch direkten Kontakt mit einem Artgenossen. Einige Kalmare und Tiefseekrebse nutzen diese Signale, um sich auf große Distanzen zu erkennen und zur Fortpflanzung zusammenzufinden.

Was ist Biolumineszenz?

Dass Tiefseelebewesen ihr eigenes Licht erzeugen können, ist der Wissenschaft seit Jahrzehnten bekannt. Inzwischen weiß man auch, wie die Biolumineszenz entsteht. Organismen können ihr eigenes Licht entweder durch die Verwendung spezieller Körperteile oder mithilfe von symbiontischen Leuchtbakterien erzeugen. Dies geschieht vorwiegend auf enzymatische Weise.

Um dieses Licht zu erzeugen, wird mithilfe eines Enzyms namens Luciferase das organische Molekül Luciferin gespalten. Während dieser Spaltung wird Energie freigesetzt, die beinahe zu 100 % als Licht abgegeben wird. Im Gegensatz zu Glühlampen, die nur etwa 5 % der Energie als Licht und den Rest als Wärme abgeben, spricht man bei der Biolumineszenz deshalb von kaltem Licht.

Egal, ob selbstständig oder in Symbiose mit Leuchtbakterien, erzeugen die Leuchtorgane (Photophoren) der meisten Tiefseeorganismen blaues oder blaugrünes Licht. Und das ist kein Zufall. Blaues Licht erreicht im Wasser die höchste Reichweite und kann von den meisten Meerestieren wahrgenommen werden. Rotes Licht hingegen reicht nur einige Meter weit und ist im Tierreich bedeutend weniger vorhanden. Eine Ausnahme bildet der Schwarze Drachenfisch (Malacosteus), der zwischen dem blaugrünen und roten Spektrum wechseln kann. Das rote Licht kann er als eine Art verhüllte Taschenlampe nutzen, damit er unbemerkt seine Umgebung auskundschaften kann.

Doch selbst das ausgeklügelteste Leuchten wäre nutzlos, wenn es nicht gesehen wird. Ein gutes Sehvermögen spielt daher eine ebenso wichtige Rolle in der Tiefsee. Grundsätzlich gilt dabei: je größer die Augen, desto besser die Sicht. Große Augen sorgen für einen höheren Lichteinfall und ermöglichen es ihrem Träger, auch geringe Mengen an Licht wahrzunehmen.

Möglichkeiten für die Forschung

Die Biolumineszenz ist mittlerweile nicht mehr nur ein spannendes Thema auf dem Gebiet der Meeresbiologie, sondern auch in der medizinischen und genetischen Forschung.

Mithilfe von Leuchtorganismen lässt sich unter anderem die Wasserqualität von Abwasserproben bestimmen. Durch die vorhandene Lichtstärke des Wassers können Rückschlüsse auf chemische Verunreinigungen gezogen werden, die das Leuchten der Bakterien vermindern würden. Des Weiteren können Leuchtbakterien zur risikoarmen Markierung von Molekülen genutzt werden, um sie im Körper sichtbar zu machen und im Stoffwechsel nachzuverfolgen.

Die spannenden Möglichkeiten der Biolumineszenz erfreuen sich immer höherer Beliebtheit und bieten viele neue interdisziplinäre Lösungsansätze. Deshalb sollte der Schutz der Meere und besonders der Tiefsee zukünftig einen bedeutenden Stellenwert für die Forschung einnehmen. Noch haben wir nicht alle Wunder der Tiefsee entdecken können und es wäre schade, einige von ihnen frühzeitig zu verlieren.

Weiterführende Literatur

  • Bianco, M. (2021). Das Reich des des Pelagos: Das Wunder der Biolumineszenz. In Planet Ozean (S. 9–34). Folio Verlag.
  • Hird, T. (2018). Ozeanopädie: 291 unglaubliche Geschichten vom Meer (2. Aufl., S. 39–40, 50–51, 245, 250, 261–263). Terra Mater Books.
  • Hofrichter, R. (2019). Das unbekannte Universum der Tiefsee. In Die geheimnisvolle Welt der Meere: Eine Reise ins Reich der Tiefe (2. Aufl., S. 189–206). Penguin Verlag.
  • Jöstingmeyer, P. (2013). Es werde Licht … – Phänomen Biolumineszenz. In N. Podbregar & D. Lohmann (Hrsg.), Im Fokus: Strategien der Evolution (S. 127–136). Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-642-32675-2_9
  • Jowanowitsch, R. (2014). Meereis – wimmelndes Leben in salzigen Kanälen: Dinoflagellaten: Giftblüte und Meeresleuchten. In N. Podbregar & D. Lohmann (Hrsg.), Im Fokus: Meereswelten (S. 144–145). Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-642-37720-4_11
  • Kunzig, R. (2004). Tierlichter. In Der unsichtbare Kontinent: Die Entdeckung der Meerestiefe (S. 219–232). Piper Verlag.
  • Röhrlich, D. (2011). Licht in der Dunkelheit – Von Jagd und Tarnung und einem toten Lehrer. In Tiefsee: Von Schwarzen Rauchern und blinkenden Fischen (2. Aufl., S. 121–141). mareverlag.
  • Schiel, S., Cornils, S. & Niehoff, B. (2020). Leben im Pelagial. In G. Hempel, K. Bischof & W. Hagen (Hrsg.), Faszination Meeresforschung: Ein ökologisches Lesebuch (2. Aufl., S. 32–34). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-49714-2_3
  • Widder, E. (2006). Lebende Lichter im Meer. In C. Nouvian (Hrsg.), The Deep: Leben in der Tiefsee (S. 85–95). Knesebeck Verlag.

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